Pferde sind von Natur aus Herdentiere mit einem großen Bedürfnis an sozialen Kontakten. Außerdem haben sie einen sehr ausgeprägten Bewegungsdrang. Dies haben sie noch von ihren Vorfahren übernommen, die in freier Natur ständig auf der Suche nach Futter und Wasser waren und sich hierbei bis zu 16 Stunden am Tag fortbewegten. Ausreichende Bewegung und der Kontakt zu Artgenossen sind daher auch heute noch besonders wichtig für eine artgerechte Pferdehaltung. Die größten Unterschiede liegen heutzutage vor allem in der Boxen- und Offenstallhaltung. Beide Haltungsformen zeigen verschiedene Vor- und Nachteile. Auch unterschiedliche Abwandlungen oder Kombinationen sind möglich. Informiere dich ausreichend zu den Unterstellmöglichkeiten für dein Pferd, so dass du entscheiden kannst, welche Haltungsform den individuellen Bedürfnissen deines Pferdes am besten gerecht werden und natürlich auch zu deinen Ansprüchen passt.
Boxenhaltung vs. Offenstallhaltung
Boxenhaltung
Boxenhaltung bedeutet, wie der Name schon sagt, dass dein Pferd für eine bestimmte Zeit des Tages in einer geschlossenen Pferdebox gehalten wird. Eine Pferdebox ist durchschnittlich mind. 3,50 m x 3,50 m groß und sollte deinem Pferd genug Freiraum bieten, sich entspannt hinzulegen, umzudrehen und ein paar Schritte zu gehen. Je nach Weide-, Paddock-, und Reitzeiten kann der Zeitraum, den dein Pferd in der Box verbringt, täglich variieren. Viele Pferdebesitzer lassen ihre Pferde auch den ganzen Tag über auf dem Paddock oder auf der Weide und holen sie nur über Nacht in den Stall. Im Herbst und Winter hat die Boxenhaltung zum Beispiel den Vorteil, dass dein Pferd trocken und geschützt stehen kann, wenn das Wetter draußen sehr ungemütlich ist und die Außenanlage aufgrund der Witterung sehr matschig ist. Allerdings ist die Boxenhaltung bei vielen Pferdebesitzern umstritten, da das Pferd seinem ständigen Bewegungsdrang nicht effizient genug nachgehen kann. Trotzdem gibt es einige Gründe, die für eine Haltung in der Box sprechen.
1. Verminderung des Verletzungsrisikos
Pferde mit einem hohen Temperament, die dazu neigen ständig wild über die Wiesen zu tollen, können durch eine begrenzte Haltung in der Box ihr Verletzungsrisiko minimieren. Auch dein Sportpferd, welches am Wochenende ein wichtiges Turnier bestreiten soll, hat bei der Boxenhaltung ein geringeres Verletzungsrisiko. Das bedeutet natürlich nicht, dass temperamentvolle Pferde und Turnierpferde ausschließlich in der Box gehalten werden sollen. Ausreichend Bewegung an der frischen Luft ist essentiell für die Gesunderhaltung und die Ausgeglichenheit eines jeden Pferdes. Dennoch können begrenzte Weide- und Paddockzeiten sowie kleinere Auslaufflächen dazu beitragen, dein Pferd zu schonen, wenn es sein Temperament nicht selbst zügeln kann.
2. Einfache Abmessung individueller Futterrationen
Pferde stehen in einer Box in der Regel allein, so dass du einen genaueren Einblick darüber hast, wie viel Heu und Kraftfutter dein Pferd tatsächlich frisst, was bei einer Herdenhaltung schwieriger nachvollziehbar ist. Dies kann dein Management vereinfachen, wenn du z.B. ein dickes Pferd hast, das kontrolliert abnehmen soll. Auch für rangniedrige Pferde kann eine Fütterung in der Box vorteilhafter, bzw. stressfreier sein, da sie hier nicht von ranghöheren Pferden verdrängt werden können, sondern ihre Mahlzeit ganz in Ruhe und vollständig aufnehmen können.
3. Mangelhaftes Sozialverhalten
Manche Pferde sind schwieriger im Kontakt mit anderen Pferden oder Menschen als andere. Sie können bei einer Offenstallhaltung in einer Herde manchmal sogar eine echte Verletzungsgefahr darstellen. Diese Pferde werden häufig in der Box gehalten, um sich und andere nicht ernsthaft zu gefährden. Natürlich – und vor allem – brauchen aber auch diese Pferde genügend Auslauf und Beschäftigung an der frischen Luft, um ausgeglichener zu werden. Bekommen sie nicht genügend Abwechslung, könnte sich ihr Verhalten sogar verschlimmern. Ist es gar nicht möglich, dein Pferd zusammen mit anderen Pferden auf das Paddock oder die Weide zu stellen, ist es dennoch empfehlenswert, es mit einem sicheren Zaun dazwischen in die Nähe anderer Pferde zu stellen. So kann dein Pferd seine Artgenossen sehen und trotzdem ein gewisser Teil der Herde sein, ohne dass jemand verletzt wird.
Grundsätzlich sollte kein Pferd den ganzen Tag über ausschließlich in einer Box gehalten werden. Jedes Pferd benötigt neben ausreichend frischem Wasser und einer faserreichen Fütterung eben auch täglichen Auslauf und soziale Kontakte für ein artgerechtes und rundum zufriedenes Pferdeleben. Eine reine Boxenhaltung ohne ausreichende Bewegung kann schnell zu Langeweile und unerwünschtem Verhalten, wie Koppen und Weben, führen. Daher ist es für dein Pferd in Boxenhaltung besonders wichtig, dass du Abwechslung in seinen Alltag integrierst. Salzlecksteine, Spielzeuge für die Pferdebox und ausreichende Paddock- und/oder Weidezeiten sorgen hier für ein ausgeglichenes Pferd. Auch du als Pferdebesitzer profitierst von einem ausgeglichenen Pferd, da es so umgänglicher in der täglichen Arbeit wird.
Weitere Formen der Boxenhaltung
Neben den klassischen Pferdeboxen gibt es heute auch weitere Formen der Boxenhaltung. Viele moderne Reitställe verfügen zum Beispiel über ein individuelles Paddock angrenzend an jede Pferdebox. Diese ermöglichen den Pferden einen beliebigen Ausgang und gleichzeitig einen trockenen Rückzugsort. Die meist kleinen Außenbereiche sind allerdings kein Ersatz für ein großes Paddock oder eine weitläufige Weide, die dein Pferd benötigt, um sich ausreichend und in seiner natürlichen Form bewegen zu können. Paddock-Boxen sind allerdings ideal, sollte eine Offenstallhaltung für dich und dein Pferd keine Option sein.
Offenstallhaltung
Im Gegensatz zur Boxenhaltung leben Pferde in einer Offenstallhaltung prinzipiell die ganze Zeit draußen. Durch einen großen, überdachten Stall haben sie dann die Möglichkeit, sich nach Bedarf zurückzuziehen und sich vor Wind und Wetter zu schützen. Eine Haltung im Offenstall hat vor allem den Vorteil, dass sich dein Pferd nach eigenem Ermessen frei bewegen kann – ganz seines natürlichen Ursprungs. Dadurch wird zum Beispiel Langeweile vorgebeugt. In einer klassischen Offenstallhaltung leben Pferde in der Regel als Herde zusammen. Dies hat den Vorteil, dass Pferde in ihrem Sozialverhalten sowie ihrer Aufmerksamkeit gegenüber ihrer Umgebung gestärkt werden. Außerdem animieren sich Pferde gegenseitig zum Spielen oder zum Laufen, weswegen eine Offenstallhaltung besonders gut für leichtfüttrige und übergewichtige Pferde geeignet ist.
Im Winter oder bei kälteren Temperaturen können Pferde, die viel Energie zur Warmerhaltung ihres Körpers benötigen, mit einer Decke unterstützt werden. So kannst du vorbeugen, dass beispielsweise alte Pferde im Winter abbauen.
Ein großer Nachteil der Offenstallhaltung ist allerdings, dass rangniedrige Pferde es häufig schwer haben, genügend Raufutter aufzunehmen und zur Ruhe zu kommen, sollte der Platz für die Anzahl der Pferde pro Herde nicht groß genug oder nicht ausreichend Futter- und Wasserstellen vorhanden sein. Sie werden dann von ranghöheren Pferden verscheucht und fressen dadurch meist unter Stress. Solltest du dieses Verhalten bei deinen Pferden beobachten, dann sorge unbedingt für mehr Futter- und Ruhestellen in deinem Offenstall. Hierzu kannst du zum Beispiel mehrere Heunetze an unterschiedlichen Stellen platzieren. Wird dein rangniedriges Pferd dann von einem Futterplatz vertrieben, hat es immer noch die Möglichkeit zu einem anderen zu wechseln und dort die Nährstoffe aufzunehmen, die es benötigt.
Weitere Formen der Offenstallhaltung
Neben der klassischen Offenstallhaltung gibt es mittlerweile noch weitere Abwandlungen, die das Leben deines Pferdes noch artgerechter gestalten sollen. 2 beliebte Formen des Offenstalls sind hier der Paddock Trail und der Aktiv- bzw. Bewegungsstall, auch als Laufstall für Pferde bekannt.
Paddock Trail
Das Konzept des Paddock Trails oder auch „Paddock Paradise“ genannt, kommt ursprünglich vom amerikanischen Hufschmied Jamie Jackson. Er beobachtete jahrelang Wildpferde und war besonders angetan von ihrer beinahe perfekten Hufgesundheit. Sein Konzept Paddock Paradise besteht einfach gesagt aus einem Paddock, das eine Wanderroute für Pferde darstellt. Diese Wanderroute ist in Form eines Kreises aufgebaut und schafft verschiedene Bewegungsanreize, die dein Pferd zum Laufen animieren. Die Hauptbewegungsanreize, die dein Pferd auf diesem Weg erhält, sind verschiedene Futterstationen. In geringen Abständen werden beispielsweise Heuraufen, Heunetze und Futterkrippen angebracht, die dein Pferd nacheinander abläuft. Da Pferde von Natur aus sehr neugierige Tiere sind, werden sie nicht die ganze Zeit ruhig an nur einer Futterstelle stehen bleiben, sondern auch die anderen naheliegenden Stationen erkunden. Das hat den Vorteil, dass dein Pferd vergleichsweise kleinere Portionen zu sich nimmt und sich zwischen den einzelnen Fresseinheiten mehr bewegt, was das natürliche Fressverhalten unterstützt. Wasserstellen hingegen werden oft weiter auseinander platziert und liegen somit nicht direkt an den Futterstationen. Dies bringt dein Pferd dazu, weitere Strecken zurückzulegen und motiviert es hin- und herzulaufen. Oft werden auch Hindernisse, Spielsachen und Abkürzungen auf dem Paddock platziert, um den Trail noch interessanter für dein Pferd zu gestalten. Durch die vielen Stationen im Paddock Trail wird die Langeweile deines Pferdes minimiert und Verhaltensstörungen wie Koppen oder Weben vorgebeugt. Lebt dein Pferd in einer Herde und kann den Paddock Trail zusammen mit seinen Artgenossen ablaufen, fühlt es sich sogar noch wohler und ausgelassener. Als Hufschmied betonte Jackson außerdem noch, wie wichtig der richtige Paddockboden für die Hufgesundheit der Pferde sei. Im Idealfall solle der Paddock Trail aus verschiedenen Untergründen wie Sand, Kies, Beton, etc. bestehen, um die Hufbeschaffenheit eines Pferdes zu verbessern.
Aktivstall
Der größte Unterschied zwischen Aktivstall und Paddock Trail sind die moderneren, automatisierten Fütterungsprozesse. Pferde, die in einem Aktivstall leben, können sich hier mit Hilfe eines Chips, der beispielsweise als Fußband getragen wird, portionsweise ihr Futter abholen. Dies hat den großen Vorteil, dass man die Ration für jedes Pferd genau bestimmen kann. So können beispielsweise auch verschiedene Kraftfuttersorten in unterschiedlicher Menge gefüttert werden, was bei einer klassischen Krippenfütterung nicht so leicht umzusetzen wäre. Durch die automatisierte Fütterung kannst du deinem Pferd täglich auch mehrere kleine Portionen füttern. So unterstützt du das natürliche Fressverhalten und senkst gleichzeitig das Risiko auf eine fütterungsbedingte Kolik. Für dich als Pferdebesitzer hat dieser automatische Fütterungsprozess den großen Vorteil, dass du dein Pferd nun nicht mehrmals täglich selbst füttern musst, sondern es genügt, die einzelnen Futterautomaten aufzufüllen. Außerdem kannst du durch diesen automatischen Prozess genau nachverfolgen, welches Pferd wann und wie viel am Tag gefressen hat. Hierdurch lässt sich auch erkennen, welche Pferde vielleicht noch Probleme bei der Verwendung des Futterchips haben. Diese Pferde können dann individuell trainiert und gefördert werden. Auch für rangniedrige Pferde, die sonst Probleme haben, einen Platz an der Heuraufe zu ergattern, sind die vielen verschiedenen Futterplätze ideal, um in Ruhe fressen zu können. Genau wie der Paddock Trail bietet auch ein Aktivstall verschiedene Bewegungsanreize mit Fress-, Spiel-, Wasser-, und Liegestationen. So wird dein Pferd optimal beschäftigt und erhält zusätzliche Bewegung an der frischen Luft. Bewegungs-, bzw. Laufställe für Pferde werden mittlerweile mehr und mehr in größeren Reitbetrieben eingeführt, da sie eine artgerechte Pferdehaltung unterstützen. Allerdings ist die Installation eines Aktivstalls auch sehr kostspielig, weshalb sie nicht für jeden Pferdebesitzer in Frage kommen.
Der Paddock Trail und auch der Aktivstall zeigen jedoch einen Nachteil gegenüber der gewöhnlichen Offenstallhaltung: Da die Fläche, auf der die Pferde sich im Paddock Trail und im Aktivstall aufhalten, für gewöhnlich viel größer ist als beim Offenstall, muss nun auch eine größere Fläche bewirtschaftet werden. Daher solltest du dir vor der Anschaffung eines Paddock Trails oder eines Aktivstalls Gedanken darübermachen, wie du diesen am besten pflegen und sauber halten kannst. Eine gepflegte Umgebung ist sehr wichtig für das Wohlbefinden deines Pferdes und sollte nicht vernachlässigt werden.
Der Einfluss auf die saisonale Weidehaltung
Auch wenn dein Pferd in einem klassischen Offenstall, Paddock Trail oder Aktivstall gehalten wird, sollte es natürlich seinen Bedürfnissen gerecht angeweidet werden. Dein Pferd sollte am Anfang der Weidesaison auf keinen Fall zu viel frisches Gras auf einmal bekommen, da dies seinen Verdauungstrakt durcheiner bringen könnte und so das Risiko für Koliken ansteigt. Idealerweise liegt dein Paddock Trail oder dein Laufstall direkt neben einer Pferdeweide. Dadurch kannst du den Zugang zur Weide ganz einfach durch Zäune, Tore, etc. regeln. Je nachdem, wie viel frisches Gras dein Pferd verträgt, kannst du den Zugang zur Weide täglich zeitlich begrenzen. Grenzt deine Pferdeweide nicht an dein Paddock, kannst du dein Pferd wie gehabt für eine bestimmte Zeit auf die Weide bringen. Achte in beiden Fällen allerdings darauf, die Fütterung deines Pferdes auf den aktuellen Weidegang anzupassen. Viele Pferde benötigen in dieser Zeit weniger Kraftfutter, da sie durch das frische Gras bereits mehr Energie aufnehmen.
Grundsätzlich gehört – egal ob Boxenhaltung, klassischer Offenstall, Paddock Trail oder Aktivstall – zu einer artgerechten Pferdehaltung:
- Ausreichend Bewegung an der frischen Luft
- Genügend Tageslicht
- Kontakte zu anderen Pferden
- Ausreichend frisches Wasser
- Eine individuelle Fütterung mit ausreichend Raufutter
- Eine gepflegte Umgebung (Box, Offenstall, Paddock, Weide)